Interview mit Dr. Susanne Kimmig-Völkner, Direktorin der Mühlhäuser Museen

Dr. Susanne Kimmig-Völkner, Direktorin der Mühlhäuser Museen
Fotograf: Tino Sieland

HS: Der Bauernkrieg hat ja an verschiedenen Orten in Deutschland stattgefunden, was sind die Besonderheiten des Bauernkrieges in Thüringen?

Susanne Kimmig-Völkner: Der Hauptunterschied bestand in den jeweiligen Forderungen gegenüber dem Adel. Zwar beriefen sich auch die Thüringer Bauern auf die 12 Artikel, aber in Thüringen spielte etwa die Forderung nach der Abschaffung der Leibeigenschaft keine Rolle, da diese in Thüringen kaum mehr vorhanden war.

HS: Was sind die zentralen Ereignisse des Bauernkriegs in Thüringen?

Kimmig-Völkner: Das zentrale Ereignis ist sicher die Schlacht von Band Frankenhausen, aber auch die darauffolgenden Ereignisse, also die Hinrichtung der am Aufstand Beteiligten in Frankenhausen, die Verurteilung und Hinrichtung Thomas Müntzers und Heinrich Pfeiffers in Mühlhausen. Aber es gab natürlich auch viele andere kleinere Ereignisse, z.B. dass Thomas Müntzer in Mühlhausen gepredigt hat, die in der Summe erst das Geschehen erklären.

HS: In Thüringen wurden ja besonders oft Klöster angegriffen, was war der Grund hierfür?

Kimmig-Völkner:  Das ist tatsächlich so, dass in Thüringen relativ viele Klöster angegriffen wurden, aber das liegt auch daran, dass es in Thüringen zu dieser Zeit sehr viele Klöster gab, zum anderen waren die Klöster ja häufig die unmittelbaren Lehnsherren der Bauern, d.h. die mussten ihre Abgaben an die Klöster bezahlen. Man war gegen die Herrschenden und die Herrschenden, das waren eben vor Ort oft die Klöster. Zugleich mussten die Bauern sich auf ihrem Zug versorgen, da boten gerade die Klöster ein gutes Ziel.

HS: In der Literatur findet sich ja oft der Hinweis, dass die Bauern einen regelrechten Hass auf die Klöster gehabt hätten und darum besonders rücksichtslos gegen Mönche und Nonnen vorgegangen seien.

Kimmig-Völkner: Das ist vor allem ein Bild, welches von der evangelischen Geschichtsschreibung immer wieder kolportiert wurde, dass die Bauern aus Prinzip gegen die Klöster gewesen seien. Allerdings wissen wir es oft nicht. Tatsächlich ist das noch eine große Forschungslücke – nicht nur für Thüringen, sondern für das gesamte Aufstandsgebiet. 

HS: Woran liegt es, dass in der Erinnerung an den Bauernkrieg die Schlacht bei Frankenhausen eine so zentrale Stellung einnimmt? Es gab ja auch zahlreiche andere zum Teil große Schlachten im Bauernkrieg.

Kimmig-Völkner: Ich denke, das ist vor allem aufgrund der DDR-Geschichtsschreibung so. Die DDR hat den Bauernkrieg ja bereits sehr früh, in den 50er Jahren, ideologisch vereinnahmt. So hat man sich beispielsweise bei der Bodenreform auf den Bauernkrieg bezogen. Die Bauern, so hieß es damals, hätten für etwas gekämpft, was die DDR jetzt mit der Bodenreform verwirklichen würde. Frankenhausen blieb bis zum Ende der DDR der zentrale Erinnerungsort des Bauernkrieges, was dann ja auch eindrucksvoll mit dem Bauernkriegspanorama unterstrichen wurde. Zugleich war die Schlacht bei Frankenhausen der Endpunkt des Bauernkrieges und steht für den endgültigen Sieg des Adels – das unterscheidet sie von anderen Schlachten.

HS: Die DDR-Geschichtsschreibung hat ja vor allem auch die Rolle Thomas Müntzers betont. Wie wichtig war die Rolle des Reformators wirklich? 

Kimmig-Völkner: Nicht nur in der DDR. Die starke Betonung von Müntzers Rolle geht bereits auf Luther zurück. Dieser hatte Müntzer als zentrale Figur dargestellt, er sah in ihm die Verkörperung des Teufels. Mit dieser starken Polemik wollte Luther vermutlich auch von seiner eigenen Rolle ablenken. Bezogen sich die Bauern doch immer wieder auf die Ideen Luthers. In Wirklichkeit war sein Einfluss auf das Geschehen nicht so groß, wie es noch heute oft behauptet wird. Müntzer war mehr Prediger als Anführer. 

HS: Anlässlich des Jubiläums, das wir dieses Jahr feiern: Was kann der Bauernkrieg uns heute noch sagen? Warum ist es wichtig, die Erinnerung an dieses Ereignis aufrechtzuerhalten?

Kimmig-Völkner: Was für uns heute wichtig ist, das ist, was wir den Forderungen der Bauern entnehmen können. Das waren ja nicht nur ökonomische Forderungen, sondern auch Forderungen nach Mitsprache. Es waren die ersten Forderungen von Freiheitsrechten in deutscher Sprache. Man forderte die Abschaffung der Leibeigenschaft und damit das Recht auf Freizügigkeit, man forderte Mitspracherechte in juristischen Fragen, etwa bei der Wahl der Pfarrer. Die Bauern waren am Ende erfolglos. Aber da sind Leute losgezogen, haben ihre Lebensgrundlage aufgegeben, ihre Familie hinter sich gelassen, sind in den Kampf gezogen, wohl wissend, dass sie dabei ums Leben kommen können. Ich glaube, wir können daraus lernen, wie wichtig es ist, an unseren Freiheitsrechten festzuhalten, dafür zu kämpfen. Da können uns die Bauern bis heute als Vorbild dienen

HS: Frau Kimmig-Völkner vielen Dank für das Gespräch.